Flucht, mein Leben – Hans Jürgen von der Wense verschwindet in Bergen und Mappen

06.05. Das Dock 4 präsentiert um 15 Uhr im Eulensaal der Murhardschen Bibliothek
"Flucht, mein Leben - Hans Jürgen von der Wense verschwindet in Bergen und Mappen".

Vortrag von Dr. Reiner Niehoff
Kompositionen von Hans Jürgen von der Wense, interpretiert von Peter Geisselbrecht, Piano; Werner Schön, Gesang; Michael Mahner, Klarinette; Marco Krummenacher, Blechsieb

Im Rahmen von: "Literaturland Hessen - Ein Tag für die Literatur" am 6. Mail ab 11:00 Uhr

Weitere Infos zum Thema "Literaturland Hessen" finden Sie unter:
www.hr-online.de

Diese außergewöhnliche, weitgehend unbekannte Persönlichkeit wird uns dank der großartigen Arbeit des Nachlassverwalters, der Herausgeber und der Verlage Matthes & Seitz, Zweitausendeins, und Revonnah seit einigen Jahren mit einer Reihe exquisiter Publikationen nahe gebracht.

Gerade Kassel war über viele Jahre ein zentraler Ort im Leben Wenses, von wo aus er die hessische Landschaft in ausgedehnten Wanderungen erkundete. Wir freuen uns, Ihnen hier reichhaltige Informationen über unsere Präsentation am Tag für die Literatur im Eulensaal anbieten zu können und hoffen darauf, Sie am 6.Mai um 15:00 Uhr in der Murhardschen Bibliothek begrüßen zu dürfen.
 
Hans Jürgen von der Wense, geboren 1894 in Ortelsburg / Ostpreußen, gestorben 1966 in Göttingen, gilt als der Verschwundenste unter den verschwundenen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Dabei erschuf der Komponist, Wanderer, Landschaftsforscher, Übersetzer, Enzyklopädist und Aphoristiker eine Art Paralleluniversum zu unserer „von Hochmut auf Engtaille eingelaufene Zeit“: Auf gut dreißigtausend Blättern versammelte er Übertragungen aus dem Chinesischen, Arabischen, Ägyptischen, Afrikanischen, kollektierte Notizen zu Wanderungen, zur Wetterkunde, zur Wüstungsforschung, zu Orts-, Straßen- und Personenhistorie, verfaßte oder projektierte Essays zur Schaukel, zum Stehen, zum Stab – ein Wunderreich der übersehenen Geistes-Schätze, der vergessenen Literaturen, der unbemerkten Landschaften. In 6000 Briefen beschrieb er, woran er arbeitete und was ihm zwischen Kassel, Eschwege, Göttingen und Paderborn auf 24000 Wanderkilometen begegnete. Aber publiziert hat Wense zu Lebzeiten gerade einmal fünfzig Seiten. Verschwunden ist er also nicht, weil er nicht angemessen wahrgenommen & gewürdigt worden wäre, sondern weil er sich selbst zum Verschwinden zu bringen versuchte. „Immer unsichtbarer werden und allmählich ganz verdunsten“ – das war sein Ziel. Ist Wense nur eine Erfindung von Samuel Beckett oder von Ror Wolf? Gab es ihn wirklich? Und wie sah er aus, dieser Wensische salto mortale ins „Über-All“? – In einer Verbindung von Lesung, Kommentar und Lichtbildern möchte der Vortrag einen Einblick in das Leben und das Werk des verschwundenen Solitärs geben.
Im Anschluss an den Vortrag werden die Wense Kompositionen für Klavier I-V und die Musik für Gesang Nr. 1, Nr. 2, Musik für Klavier, Klarinette und freihängendes Blechsieb und „Ich hatt einen Kameraden“ gespielt und gesungen.


Der Vortragende:
Reiner Niehoff, geb. 1959, ist Privatdozent an der Freien Universität Berlin. Dreizehn Jahre verfolgte er detektivisch die Spuren Hans Jürgen von der Wenses, die letzten fünf Jahre zusammen mit Valeska Bertoncini. 3000 unbekannte, teils kurz vor der endgültigen Entsorgung stehende Briefe, außerdem Übersetzungs-Manuskripte, Photographien, Collage-Bücher, Materialien zu Leben und Werk Wenses konnten gerettet, geborgen & 2005 zum Druck gebracht werden.

Die Musiker:
Peter Geisselbrecht, Klavier (Jahrgang 54) studierte Musik in Köln (Schulmusik, Klavier, Komposition) und sammelte dort auch seine ersten Erfahrungen als Improvisator. Nach einem Intermezzo als Referendar und Gymnasiallehrer arbeitet er seit 1985 als Klavier- und Improvisationspädagoge an der Justus- Liebig- Universität Gießen. Als Improvisator arbeitet er mit Musikern zusammen, die sich in den Grenzgebieten von free music, Jazz und Neuer Musik bewegen. Hier richtet er sein Hauptohrenmerk auf den möglichst engen Zusammenhang von Klang, (Hör-) Bewegung und Energiefluss. Gern bewegt er sich in der „hybriden“ Intervallik und Mikrointervallik der Flageoletts auf den Klaviersaiten.
Als Interpret beschäftigt sich  Peter Geisselbrecht vorwiegend mit der Musik des 20. Jahrhunderts. Werke wie die Concord-Sonate von Charles Ives, die Sonate 27. April 1945 von Karl Amadeus Hartmann, Olivier Messiaens Zyklus Visions de l´Amen für 2 Klaviere (mit seiner Duopartnerin Angelika Schmid – Haase) und Das Buch der hängenden Gärten von Arnold Schönberg (mit der Sopranistin Anette von Malek) führt er mit großem Erfolg in ganz Deutschland auf.

Werner Schön, Gesang (jahrgang 1949) studierte Schulmusik, Germanistik und Philosophie an den Musikhochschulen in Frankfurt am Main und Hannover (Gesang bei Prof. Gründler) und ging dann in den Schuldienst. Neben vielfältigen Erfahrungen als Sänger in großen Chören (Ziegler, Rilling) war er solistisch insbesondere kirchenmusikalisch tätig.

Michael Mahner, Klarinette (Jahrgang 1961)
Studium der Waldorfpädagogik in Stuttgart u. Heidenheim, Studium an der Musikakademie Kassel mit Hauptfach Klarinette bei Wolfram Carlberg, staatl. Examen als Musikschullehrer und weiterführende Repertoirestudien. Es folgt eine rege kammermusikalische sowie solistische Tätigkeit im In und Ausland. Freischaffende Engagements als Orchestermusiker (Klarinette/Saxophon) häufig u.a. im Orchester des Staatstheaters in Kassel und diversen Orchestern der Region . Zudem ist er Mitglied einiger interessanter Kammermusikensembles in Kassel. Als begeisterter Musikpädagoge unterrichtet er u.a. in der Schule für  Musik und Tanz,  ||:Chroma in Vellmar

Marco Krummenacher,  Blechsieb (Jahrgang 1962)
Studium an der F+F Schule für experimentelle Gestaltung in Zürich. Seit 1990 in Kassel in verschiedenen kulturellen Einrichtungen tätig leitet er seit sieben Jahren das Kulturhaus Dock 4. Er zeichnet für die Idee und das Konzept dieses Beitrags verantwortlich.

Über Wense
„Mit Wense ist eine alles überragende Persönlichkeit in unseren Kreis eingetreten. Sein Bildungs- und Interessenniveau übersteigt das aller anderen. Die eruptiv visionäre Kraft seiner künstlerischen Kundgebungen hebt ihn fast EINZELGÄNGERISCH von allen ab.“ (Hermann Scherchen)

„Die interessanteste Persönlichkeit in diesem Kreis war Hans-Jürgen von der Wense, ein schwer definierbares, aber wahrhaftes Universalgenie, da alles, was er anpackte - sei es Musik, Literatur, Philosophie oder selbst Astrologie - von völlig originellen jähen Blitzlichtern großartiger Einsicht durchstrahlt war, obschon sich seine Leistungen auf keinem dieser Gebiete zu dauerhaft zusammenhängenden Gebilden kristallisierten.“ (Ernst Krenek)

„Zu der Zeit, als ich ihm zum ersten Mal begegnete, war er Zollbeamter in Warnemünde, einem kleinen Ostseehafen nördlich von Berlin. Erdmann lies mich einige seiner Briefe lesen, die erstaunliche Dokumente waren, eine Mischung aus tiefgründigen philosophischen Erkenntnissen, die in eine wunderschöne poetische Sprache gekleidet waren, und blankem Unsinn. Manche seiner Naturbeschreibungen könnten sich ohne weiteres mit den schönsten Passagen in Adalbert Stifters Werk messen, und das will etwas heißen.“ (Ernst Krenek)

„Diese erstaunliche Ansammlung schöpferischer Gaben schien keine nutzbaren Resultate zu zeitigen, aber das Leben von der Wenses schien sich in einer so einzigartigen und entlegenen Sphäre abzuspielen, daß die Frage nach nutzbaren Resultaten nebensächlich und unangemessen war.“ (Ernst Krenek)

„Dieser erstaunliche Sonderling, dieser absolute Nicht-Literat gehört an hervorragende Stelle in jener überfälligen Geschichte der geheimen deutschen Literatur, von der ich immer träume.“ (Botho Strauss)

„Wense, ein Feuerkopf.“ (Ernst Jünger)

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